Das Jahr 2020 war für das Gesundheitswesen eine Herausforderung. Die Corona-Pandemie hat alle Bereiche der Medizin flankiert. Die Zahl der durch die GTM-V realisierten Gewebespenden im Jahr 2020 ist Corona bedingt um ca. zehn Prozent zum Vorjahr gesunken. Die durch die Pandemie verursachte Reduzierung der Operationskapazitäten hatte einen Einfluss auf die Spendeaktivitäten. Da Augenhornhäute nur etwa einen Monat lagerbar sind, mussten die Entnahmeaktivitäten wegen eingeschränkter Operationskapazitäten reduziert werden.
Aktuell wird die Transplantationsmedizin durch die weltweite Corona-Pandemie weiterhin ausgebremst, insbesondere im Bereich der Knochenmarkspende. Das liegt hauptsächlich an den zusätzlichen gesundheitlichen Risiken für Spendenempfänger und an intensivmedizinischen Kapazitäten, die für COVID-19-Patienten freigehalten werden, sowie den eingeschränkten Transportmöglichkeiten für Organe oder Knochenmark. Auch in der weitaus häufigeren Gewebespende werden die Prioritäten neu gesetzt. Dort liegt der Fokus nun auf lebenserhaltende Transplantationen.
Operative Eingriffe an den Augenhornhäuten gelten bis auf wenige Notfalloperationen als aufschiebbar und sind dementsprechend bundesweit deutlich zurückgefahren worden. Während der Corona-Pandemie kommen vor allem kardiovaskuläre Gewebe wie Herzklappen und Blutgefäße in der Notfallmedizin weiterhin lebensrettend zum Einsatz. Auch muskuloskelettale Gewebespenden wie Knochen und Knorpel werden gebraucht, vorrangig in der Tumor- und Unfallchirurgie nach schweren Krebserkrankungen oder Verletzungen.
Dabei steht die Sicherheit im Vordergrund. Auf Empfehlung der obersten Bundesbehörde, des Paul-Ehrlich-Instituts für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel in Langen (Hessen), werden alle Gewebespender der GTM-V auf mögliche Kontakte zu Corona infizierten Patienten bzw. Symptomen einer Infektion geprüft. Die GTM-V untersucht seit dem 23. März 2020 alle Spender zusätzlich mit einem standardisierten RT-PCR-Test auf SARS-CoV-2 sowie auf eventuell vorhandene Antikörper und eine mögliche überstandene Corona-Infektion zu diagnostizieren. Ist der Virusnachweis in einem Zeitfenster von vier Wochen vor der Spende positiv, werden die Gewebe von der Transplantation ausgeschlossen. Im Dezember 2020 gab es drei Fälle, bei denen ein Virusnachweis diagnostiziert und die Gewebe für die Transplantation ausgeschlossen werden mussten.
Das ist jedoch eine reine Vorsichtsmaßnahme, denn bislang gibt es keine Hinweise auf eine Übertragung der Corona-Viren durch Implantation, Transplantation, Infusion oder Transfer von menschlichen Zellen oder Gewebe. Die Datenlage bezüglich der Antikörperentwicklung und eines fehlenden Übertragungsrisikos ist derzeit unzureichend.
Dennoch sind viele Patienten verunsichert und scheuen eine Augenhornhauttransplantation in Corona-Zeiten. Dabei spielt weniger die Angst vor einer Übertragung durch die Gewebespende eine Rolle, sondern eher das vermeintlich höhere Ansteckungsrisiko in den Ambulanzen und Kliniken. Wir gehen deshalb von einer enormen Bugwelle an aufgeschobenen Operationen in der Augenheilkunde zum Ende des Jahres aus.
Im Gegensatz zu kardiovaskulären und muskuloskelettalen Geweben, die bis zu fünf Jahren haltbar sind, müssen Augenhornhäute nach maximal 34 Tagen transplantiert werden. Insofern sind wir sehr froh, auch aus ethischen Gründen gegenüber unseren Spendern, dass wir trotz der Corona-Pandemie alle Augenhornhäute an erkrankte Empfänger vermitteln konnten.
Wir appellieren an alle Familien, sich weiterhin aktiv mit dem Thema der Organ- und Gewebespende auseinanderzusetzen. Der Bedarf ist nicht geringer geworden, wird sich nur zum Teil auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Dabei ist es von besonderer Bedeutung, dass eine Gewebespende bis ins hohe Alter und auch bei bestimmten Vorerkrankungen möglich ist. Zurzeit sind wir sehr dankbar, dass durch alle Netzwerkkliniken in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Sachsen trotz aller Zusatzbelastungen durch die Corona-Krise dennoch eine anhaltend hohe Unterstützung der Spendeprozesse gewährleistet wird. Momentan beobachten wir die Entwicklung der Pandemie sehr genau und bereiten uns organisatorisch bereits mit Hochdruck auf einen erhöhten Bedarf an Augenhornhäuten vor, wenn alle Klinikeinrichtungen wieder im Normalbetrieb arbeiten.